Müritz Saga 2008

Zum nun mehr dritten Mal fand in Waren die Müritz-Saga statt. Sashi und ich waren vergangenen Freitag bei der Premiere auf der Naturbühne Mühlenberg. Wir immer war es sehr nett inszeniert, wenngleich sich das Stück ein wenig von den ersten zwei Episoden unterscheidet.

Müritz Saga 2008

Kernelement ist die Rückkehr des verschollen geglaubten ältesten Sohnes der Warentins aus dem Dreißigjährigen Krieg. Vom Krieg verroht ist er das genaue Gegenteil seines feinfühligen Bruders Zacharias und seiner gutmütigen Mutter, der Freifrau von Warentin. Den Beschluss, die leibeigenen Bediensteten der Warentins in die Freiheit zu lassen, hebt er ohne zu zögern auf. Als Rächer mit der Maske muss Zacharias seinen Bruder in die Schranken weisen und versuchen seine Vorstellungen eines Feudalismus mit menschlichem Ansatz durchzusetzen.

Regelmäßigen Besuchern der Müritz-Saga wird bereits im Laufe der ersten Hälfte eines klar: Dominierten in den ersten beiden Teilen noch eher ernstere Inhalte, ist der dritte Teile eher humoristisch angelegt – teilweise die Grenzen zur Slapstick überschreitend. Dies funktioniert bisweilen sehr gut. An wenigen Stellen wirkt das Stück albern, auch wenn mit einem zwinkernden Auge erzählte Bettgeschichten und entsprechende Vorstellungen teils sehr im Vordergrund stehen. Auch wenn dies eher dazu gedacht sein mag, die verrohten Sitten nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges zu unterstreichen, hat der Zuschauer oftmals den Eindruck Mecklenburg sei in dieser Zeit ein einziges Freudenhaus gewesen. Besonders deutlich wird dies bei der Darstellung derer von Rechlins. Dieser Aspekt ist für mich auch die größte Schwäche des Stücks. Höhepunkte waren bei der Premiere die menschlichen Szenen, in denen über die Folgen des Krieges auf den Menschen philosophiert wurde. Beeindruckend ist in diesem Zusammenhang die Szene, in der der „böse Bruder“ in einem kurzen Moment der Verzweiflung darüber berichtet, wie der Krieg in ihm jedes Gefühl tötete. Diese kurze Reflexion, die seine Hilflosigkeit unterstreicht, ist einer der besten Szenen des Stücks. Es ist den Machern nur zu empfehlen, solche emotionalen, tiefer gehenden Szenen nicht noch weiter zu reduzieren. Sicherlich ist ein Schwenk hin zu einem Mehr an Volkstheater durchaus legitim, aber nicht wenn dadurch die Qualität leidet, wie es in der Müritz-Saga 2008 leider schon in Ansätzen der Fall ist.

Historisch fragwürdig ist die angeordnete Entlassung der Sassen aus der Leibeigenschaft, die die schärfste Form der feudalen Abhängigkeit der Bauern darstellte. Richtig ist, dass ihre Bedeutung in der Geschichte nicht immer gleich war. Bereits im 12. und 13. Jahrhundert verlor die Leibeigenschaft immer mehr an Bedeutung. Jedoch setze sich durch die vom Südwesten des Reiches ausgehende feudale Reaktion im 15. Jahrhundert die „zweite Leibeigenschaft“ durch. Bedingung hierfür war die Niederlage der Bauern im deutschen Bauernkrieg. Ihr Ende fand die Leibeigenschaft erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Form preußischer Reformen in der Landwirtschaft. Fraglich ist, ob die Warentins in dem Stück zu diesem Zeitpunkt wirklich die Leibeigenen hätten entlassen wollen. Als Stütze der feudalen Gesellschaftsformation war die Leibeigenschaft viel zu kostbar. Was heute als menschlicher Akt erscheint, hätte damals wohl im Ruin des Hauses Warrentin resultiert. Im Rahmen des Stücks ist es wohl eher eine Metapher für die Gutherzigkeit der Freifrau von Warentin und ein guter Aufhänger, um den Schurken beim Publikum gleich unbeliebt zu machen. Insofern ist diese historische Fragwürdigkeit verzeihlich.

Im Gegensatz zu vorangegangenen Stücken spielt sich der Konflikt auf anderen Ebenen ab. War es früher der Konflikt „übergeordneter Landvogt vs. Warentins“, findet der Konflikt diesmal auf gleicher Ebene zwischen Brüdern statt. Dies tut der Saga sehr gut, da ein immergleicher Konflikt zwischen Oben und Unten auf Dauer unglaubwürdig wirkt. Eine weitere Neuerung ist, dass das Bühnenbild für die Darstellung von zwei Handlungsorten genutzt wird. Dies verleiht dem Stück eine gewisse Dynamik. Verstärkt wird diese auch dadurch, dass die Schauspieler teilweise durch die Reihen der Zuschauer auf die Bühne gelangen.

Alles in allem war das Stück – trotz der erwähnten Schwächen – wieder einmal sehr sehenswert. Auch das Ende mit überraschend auftauchendem jungem Hinrich von Warentin macht Lust auf mehr. Man darf gespannt sein, wie sich die Geschichte derer von Warentins weiterentwickelt. Sashi und ich werden im nächsten Jahr jedenfalls wieder dabei sein.

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